Trick-Siebzehn an Bord (60)
Der Trick mit dem
Sextanten-Dreh
erfolgreich praxisgetestet von Captain James Cook auf der HM ENDEAVOR
Der Trick ist uralt, jedenfalls ein paar hundert Jahre alt.
Aber so modern, dass es keine bessere Lösung gibt, auf einem Schiff ein
Gestirn, Sonne Mond oder Sterne, zu messen. Ja, es ist die einzige wirklich
funktionierende Methode, um mit Hilfe von Gestirnsmessungen, seinen Schiffsort
bestimmen zu können.
Und, das sei nebenbei erwähnt, damit ist es für jeden
Navigator auf hoher See ein Muss, diesen Trick anzuwenden. Denn mangels weiterer
voll funktionsfähiger Satelliten-Verfahren neben dem allseits bekannten GPS ist
die Navigation mit Gestirnen (astronomische Navigation) auf hoher See das
einzige existierende Backup-Verfahren, sollte die Schiffsortbestimmung mittels
GPS einmal versagen - aus welchen Gründen auch immer (Störungen beim Betreiber
oder beim Empfänger, beispielsweise durch Blitzeinschlag - in letzter Zeit
häufiger auf Yachten passiert).
Man braucht heute seine Gestirnmessungen nicht mehr mühsam zu
einem Schiffsort verrechnen. Das nehmen einem schon Computerprogramme ab ( z.B. ASTRO-CLASSIC).
Sodass ein monatelanges Studium dieser früher als Geheimwissenschaft
angesehenen "Kunst" entfällt. Um was man trotz aller Rechenhilfen
(Tafeln, Rechner, Computer) nicht drum rumkommt, ist die Messung eines Gestirns.
Und das ist gar nicht so leicht, als dass man es in manchen Lehrbüchern einfach
unterschlagen könnte.
Denn und das ist ganz wichtig: Es ist nicht richtig, wie man
es gelegentlich liest, dass bei der Astronavigation der Winkel zwischen dem
Gestirn und dem sichtbaren Horizont ("Kimm") gemessen wird. Denn einen
Winkel zwischen einem Punkt (Stern) und einer Geraden (Kimm) gibt es gar nicht.
Richtig muss es heißen: Es wird der Winkel zwischen dem
Stern und dem exakt senkrecht darunter befindlichen Punkt auf dem Horizont
gemessen. Ich nenne diesen Punkt(!) hier für die weiteren Überlegungen mal den
"Kimmpunkt", da begreift der eine oder andere unsere Überlegungen
etwas besser.
Es leuchtet ein, dass man, um den Kimmpunkt überhaupt messen
zu können, den Sextanten im Zeitpunkt der Messung exakt senkrecht halten muss.
Das jedoch ist auf einem Schiff, ob groß oder klein, ob Passagierdampfer oder
Yacht, schlichtweg unmöglich! Jedenfalls funktioniert es nicht, ohne einen
Trick anzuwenden.
Schon eine ganz geringe Abweichung von der Senkrechten führt
nämlich dazu, dass eben der Kimmpunkt gar nicht gemessen wurde, was zu
erheblichen Fehlern in der Position führt, nämlich
Beobachtet man ein Team von Landvermessern bei der Arbeit,
erkennt man, dass dort mittels schweren Stativs und Pendel gearbeitet wird, um
fehlerfreie Messungen (die im Prinzip der astronomischen Navigation gleichen) zu
erzielen. Solche Methoden können auf einem Schiff nicht angewendet werden, weil
ein Schiff rollt und, das ist das eigentliche Erschwernis, gleichzeitig stampft.
Und damit zum Beispiel Pendel nicht mehr ruhen oder Wasserwaagen nicht richtig
anzeigen. In der Flaute mögen durch den Navigator diese Bewegungen so sanft
sein, dass sie nicht mehr zu spüren sind, ihre Intensität reicht jedoch dann
immer noch leicht aus, um Messungen dergestalt zu verfälschen, dass wegen
Verfehlens des Kimmpunktes, Fehler in der Größenordnung von vielen Seemeilen
erzeugt werden.
Hierzu ein paar Zahlen, die jeder mittel Pythagoras leicht
nachvollziehen kann:
Wenn der Navigator aus 2 bis 3 Meter Augeshöhe einen
Winkel von 45 Grad misst, dann wirkt sich eine Abweichung des Sextanten von der
Senkrechten nur um winzige 5 Grad dergestalt aus, dass ein Messfehler schon von
immerhin 8 Seemeilen erzeugt wird. Bei durchaus möglichen 10 Grad Abweichung
von der Senkrechten sind es dann schon immerhin 27 Meilen und bei 20 Grad - bei
gutem Segelwind und entsprechenden Schiffsbewegungen häufig beobachtet - weit
über 60 Seemeilen. Wertlos für eine Schiffsbestimmung und die Erklärung für
manch primitiven Witz: "Unsere Position war die Kirchturmspitze..."!
Das erklärt auch, warum einige
"Erfindungen" als Mess-Hilfe nichts taugen, jedenfalls für Käufer
derselben. Ein Sternspreizglas soll die Abweichung von der Senkrechten sichtbar
machen. Ich hab damit nichts anfangen können und ein künstlicher Horizont, der
auf dem System der Wasserwaage basiert, erwies sich in der Praxis - schon auf
einem ruhigen Ankerplatz - als so ungenau, dass Messungen exakter als 1 Grad
(=60 Seemeilen) kaum zu erzielen waren.
Nein, hilfreich ist hier nur(!) der Sextantenschwenk. Beim
Messen wird der Sextant um seine Fernrohrachse geschwenkt, sodass das Gestirn
einen gut wahrnehmbaren Bogen beschreibt. Die Mikrometerschraube wird dann so
gedreht, dass das Gestirn am tiefsten Punkt des Bogens den Horizont, die Kimm,
gerade berührt - "küsst" sagt der Navigator. Nur so wird die Messung
auf rund eine bis zwei Seemeilen genau, beim Anfänger besser als fünf
Seemeilen, genug, um Barbados auf der anderen Seite des großen Teichs sicher
anzulaufen.
Messungen ohne
Sextantenschwenk sind wertlos und dürfen nicht gewertet werden.
Dem Anfänger mag das alles ziemlich schwierig erscheinen,
immerhin muss er ja die Sonne in der Spiegelmitte halten, mit der
Mikrometerschraube das Gestirn nicht nur fixieren, sondern auch nachführen
(schließlich steigt es oder sinkt, wenn es nicht gerade kulminiert!) - und
dann soll er gleichzeitig noch dabei den Sextanten schwenken. Aber keine Angst,
Übung macht den Meister und nach spätestens ein oder zwei Tagen hat er den
Bogen raus. Wortwörtlich!
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