Der neue Parasailor² fliegt: Noch
mehr Dynamik
Ein Turbo für Fahrtensegler
25 Knoten Wind, genau von achtern. Seit Tagen
haben wir auf der THALASSA steifen Passat mit Spitzen um die 30 Knoten. Wir
kommen gut voran, jeden Tag zwischen 130 und 150 Knoten, was will man mehr. Zwar
ist damit bei weitem das Geschwindigkeitspotential unseres Kats nicht
ausgeschöpft, aber dafür ist es gemütlich. Schließlich sind wir keine Crew von
acht kraftstrotzenden jungen Männern, sondern nur ein "couple". Die
Genua alleine vorne dran, Persenning überm Groß, kein Finger am Ruderrad, das ist gemütliches Segeln.
Trotzdem: Im Vorschiff liegt der neue Parasailor²
(von ISTEC-AG - hier klicken)
. Nachdem ich mit Mühen den schwarzen Sack aus dem
australischen Zoll befreit hatte, mit Bezahlung natürlich - nix "Yacht in
Transit" und so (Yachts are no seagoing vessels!) - waren wir voll
beschäftigt mit den Alltagsdingen, bis wir lossegeln konnten.
Jetzt
aber brennt es mich unter den Fingern (später sollte es noch mehr brennen!).
Aber ich zögere, denn ein nagelneues Segel mit knappen 150 Quadratmeter bei
diesem Wind vorheißen, da kann eine Menge schief gehen. Schließlich ist man
hier in der Einsamkeit des Korallenmeers ziemlich auf sich gestellt. Aber die
Neugierde siegt. Ich hol den Parasailor² aus dem Vorluk. Da haben sich die Jungs
von Erbauer ISTEC aber was Gutes einfallen lassen! Den "Berge-Hut" haben sie
oval konstruiert, so kriegt der Parasailor² mehr Fläche und Freiheit,
andererseits geht der Hut gerade noch - diagonal gestellt - durchs Luk. Wär ja
nichts, das gute Segel ständig an Deck zu fahren. Und leicht ist der Hut aus
Karbon, da kann er oben im Mast keinen Schaden anrichten!
Schnell
sind auf den gekennzeichneten Seiten (rot und grün) die Schoten und die
Niederholer angeschlagen - ich fahre sie auf jeder Seite, so hat man beim
Schiften nur wenig zu tun. Dann ein Blick aufs Speedo, das um die 5 bis 6 Knoten
tänzelt. Per Hand ist der Parasailor² in wenigen Sekunden oben, schließlich ist
er ja noch gezähmt im Schlauch.
Die Schot zieh ich schon mal nach achtern, das
spart mir später ne Menge Arbeit mit der Winsch. Beim alten Parasailor war das
Setzen eine gemütlich Sache. Immer wenn beim Hochziehen des Hutes dieser in die
Höhe des Vorflügels kam, mußte man ein wenig und mit Rucken mit der
Hochholer-Leine nachhelfen. Mal schauen, obs hier...
Aber bevor ich michs verseh, flutscht der Hut
nach oben und die rote Blase steht. Das ist aber ein dynamisches Teufelchen, das
den großen Katamaran nun mit 8 bis 9 Knoten übers Meer zerrt. Aus dem
friedlichen Plätschern unterm Brückendeck ist jetzt ein laute Rumpeln, wie
beim Kat halt so üblich, geworden.
Ganz
eindeutig hat sich gegenüber dem früheren Parasailor die Dynamik gesteigert,
sein Drang nach oben ist unübersehbar, er will fliegen. Was ja nach der
genialen Idee seines Erfinders, Hardy Schädlich, auch seine Bestimmung ist.
Da war es mehr als logisch, dass sich nunmehr die
Firma ISTEC der Produktion des Parasailor² angenommen hat, denn ISTEC ist mit dem weltweit führenden Gleitschirmhersteller SWING liiert. Dessen Knowhow schlägt sich unter
anderem in potenten Computerprogrammen nieder, die so einen Parasailor bis in
die letzte Bahn ausrechnen. Was übrigens nicht so leicht ist, denn schließlich
hat man es im Parasailor-Bau nicht mit starren Profilen zu tun, sondern
flexiblen Auftriebskörpern, gebaut aus überfesten Textilien. Man sieht das
perfekte Rechenresultat am typischen Vorflügel, der wir eine Eins nach vorne
steht, oben und unten (besonders wichtig!) steif umströmt vom Luftstrom. Der
ist verantwortlich für die Kraft, die nach oben zieht, denn diese leichtert das
Vorschiff und ist verantwortlich für die Stabilität der roten Blase.
Selbstverständlich ist es nicht nötig, ans
Ruder zu gehen. Die Kursschwankungen der Steueranlage pendelt der
Parasailor² fast unmerklich aus, als hinge in ihm ein Pilot, der ihn durch
Seilzüge steuert. Perfekt!
Erster Test begeisternd! Das Bergen sollte genau
so leicht sein. Übermütig ruf ich Carla zu, sie solle die Schot fieren,
während ich mit dem Endlos-Niederholer den Bergehut runterziehe. Der Parasailor²
knattert. Kraft brauch
ich zum Runterzerren, mehr wie beim alten Parasailor. Der rote Teufel will fliegen, und das
spür ich in den Armen. Die Warnung aber begreif ich nicht.
Das schmerzt: Nachdem der Bergehut auf halber
Höhe ist, überlegt es sich der Parasailor² nochmals, ob er schon landen will.
Nein, er fängt nochmals den Wind und - flutsch - ist der Hut wieder oben und
die Blase steht. Die Verarbeitung des butterglatten Bergehuts ist halt perfekt.
Von meinen Händen tropft Blut, Handschuhe hätten verhindert, dass die Leine
ein paar Quadratzentimeter Haut mitgenommen haben. Wie hab ich mich früher
über die "pomadigen Segler" mit Handschuhen mokiert. Jetzt -
reumütig - nicht mehr!
Dabei war es nur eigene Dummheit. Ich hätte die
Endlosleine für den Hut nur duch einen Block und dann über die Winsch am Mast
fahren müssen und - vor allem - das Segel nur bei voll gefierten Schoten bergen
dürfen. So geschiehts und der rote Turbo verschwindet ganz zahm im
Bergeschlauch.
So wie es sein Designer Ralf Grösel gewollt
hatte.
Parasailor-Designer Ralf Grösel zum neuen
Parasailor²:
Ralf Grösel, 25 Jahre, ist seit
vielen Jahren als Entwickler tätig. Besonders erfolgreich war er in der
Vergangenheit bei der Entwicklung von Surfkites für den weltgrößten
Hersteller „North kiteboarding“, wo er für die Entwicklung so genannter
Softkites verantwortlich war. Ralf Grösel arbeitet jetzt als
Parasailor-Designer der Firma ISTEC AG. Im Rahmen seiner Tätigkeit haben wir
ihm einige Fragen gestellt:
Auf
dem Gebiet der Parasailor-Technologie hat sich einiges getan. Unter
anderem gibt es jetzt den Parasailor². Was ist anders geworden?
Um es vorweg zu nehmen, es hat sich sehr
viel geändert. Angefangen vom optimierten Segelschnitt, neuartigen, kräfteorientierten
Verstärkungen bis hin zu neuen Flügelprofilen, die deutlich mehr Vor- und
Auftrieb liefern, ist alles bis ins Kleinste überarbeitet worden. Ein sehr
wichtiger Bestandteil der Entwicklung war die Optimierung des Flügels. Neue,
extrem leichte, jedoch strapazierfähige Materialien, gepaart mit einer
ausgereiften Flügel-Geometrie, erhöhen den Windeinsatzbereich des Parasailor²
außerordentlich. Erleichtert wurde diese Steigerung der Leistung auch durch
eine andere Computer-Software, die selbst komplexeste dreidimensionale Formen
berechnen und abwickeln kann.
Worin
unterscheidet sich der neue Bergeschlauch vom alten?
Vor
allem in zwei Punkten. Zum einen hat sich Form und Material des Trichters geändert.
Wir benutzen nun ein Karbon-Glasgemisch, das sehr leicht, aber auch extrem fest
ist. Zudem ist das Bergen des Segels mit einem ovalen Trichter einfacher, da
mehr Grundfläche zu Verfügung steht. Zum anderen verwenden wir jetzt ein
UV-beständigeres Tuch und hochwertigere Materialien. Auch die Befestigung vom
Spinnaker-Kopf zum Fall haben wir überarbeitet.
Gibt
es noch Entwicklungspotenzial? Wenn ja, was zum Beispiel?
Diese
Frage beantworte ich gerne mit einem eindeutigen "Ja". Der
Parasailor² hat durch seine einzigartige Anordnung von Segel und Flügel ein enormes
Entwicklungspotenzial. Wirkungsgrad und Handling können und werden in
Zukunft weiter optimiert werden.
Bei
der Adriatic sailing week war der Parasailor am Ende "First ship
home"
und segelte bei über 35 Kn Wind als einziges Schiff mit Spinnaker. Wie
hält
ein Segel dieser Belastung stand?
Dies
ist eine komplexe Frage. Ich werde versuchen, sie möglichst einfach zu
beantworten: Durch die Öffnung im Segel und die dahinter liegende Tragfläche
kann die strömende Luft kontrolliert entweichen, ohne jedoch Energie verpuffen
zu lassen. Eine Erhöhung der Strömungssituation bewirkt im gleichen Augenblick
eine Erhöhung des an der Tragfläche entstehenden Vor- und Auftriebes. Dies führt
im Gegensatz zu einem herkömmlichen Segel zu einer Stabilisierung des ganzen
Segels und zu einer Entlastung des Mastes. Der Parasailor² hat dadurch viel
weniger Tendenz zum Geigen als ein herkömmlicher Spinnaker. Daraus resultiert
eine deutliche Minderung von Schiffsbewegungen. Lastspitzen werden vermieden
oder gemindert. Es kommt viel seltener zu einem "Gegeneinander- Arbeiten“
von Boot und Segel.
Welche
Stoffgewichte verwenden Sie?
Wir
benutzen in erster Linie zwei unterschiedliche Materialen. Ein sehr leichtes
38,0-Gramm-Tuch für den Flügel und ein speziell für uns entwickeltes
48,0-Gramm-Spinnaker-Material. Für den Cruising-Bereich setzen wir eine
weiche und für den Regatta-Einsatz eine harte Ausrüstung ein.
Was
ist entscheidend für die Festigkeit des Stoffes?
Diese
Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Grundsätzlich kann man aber sagen,
dass viele Hersteller für ihre schweren Tücher "low tenacity yarn"
verwenden. Dieses Garn ist weniger reißfest als das von uns verwendete
"high tenacity 6.6 nylon". So können wir trotz eines geringeren
Tuchgewichts zum Teil bessere Reißfestigkeiten erzielen als deutlich schwerere
Materialien. Ausrüstung, Diagonaldehnung sowie Weiterreißfestigkeit des Tuches
sind drei weitere wichtige Faktoren. Extrem harte Materialien verhalten sich ähnlich
wie Papier. Sie können bis zu einem bestimmten Punkt eine sehr gute
Formsteifigkeit garantieren. Jedoch sind sie nicht in der Lage, Lastspitzen
harmonisch zu absorbieren. Punktuelle Belastungen sind die Folge, die das
Material schädigen und reißen lassen können.
Auf
dem Markt werden auch andere Flügelspinnaker angeboten. Wie gut
sind
diese aus aerodynamischer Sicht?
Ich
möchte erst einmal die Frage korrigieren. Der Parasailor² ist weltweit
der einzige Spinnaker mit Flügel. Alle anderen Produkte haben keine Tragfläche,
die ein definiertes Ober- und Untersegel mit dazwischenliegenden Rippen
aufweisen. Unser Segel nutzt die vom Kopf des Spinnakers herabströmende Luft,
um auf der Oberseite der Tragfläche Auftrieb und Vortrieb zu erzeugen. Dieses
Funktionsprinzip ist deutlich effektiver als ein reines Ablenken von Luftmassen
(Venturi-Spinnaker). Weiter stabilisiert unser Flügel die Seitenlieken ganz
erheblich. Dies führt zu einem deutlich späteren Einfallen und so zu einem
einfacheren Handling.
zur
Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/parasil/parasil.html
Impressum und Datenschutzerklärung
|