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der 35.-DM-Sextant
Präzision aus Pappe ?
Ein Sextant aus Pappkarton? Astronavigation
ist solange noch nicht out, solange es kein zweites ziviles
Satellitensystem gibt. Zudem macht es Spaß, mit Sonne und ein wenig Können,
seine Position zu bestimmen. Arm sind die Langfahrtsegler dran, die das große
Nervenflattern bekommen, wenn mal einer der drei GPS an Bord ausgefallen ist.Aber, man kann Astro noch so gut
beherrschen, ohne einen teuren Sextanten geht es nicht. Bis zu 3000.- DM muss
man für so ein Meisterwerk der Feinmechanik hinlegen. Oder? Was soll dann ein
Bastelsextant aus Papier?
Probieren wir es aus! In
Plastiktüte im
Zeitschriftenformat kommt der Bausatz, so eine Art Puzzle mit Ansage in der gut
nachvollziehbaren Bauanleitung. Die einzelnen, vorgestanzten Bauteile werden mit
einem scharfen Messer sauber herausgetrennt. Ja nichts verschneiden, schließlich
soll ja ein Präzisionsmessinstrument entstehen! Ohne Vorkenntnisse im Basteln
oder gar im Sextantbau hat man nach einer Stunde den Bogen raus, nach vier
Stunden und hohem Uhu-Verbrauch ist das gute Stück fertig, sieht fast
professionell, sogar schiffig aus.
Alles ist da:
Alhidade, Horizont- und Indexspiegel, und ein abziehbares Schattenglas. Lediglich die Trommel
fehlt, aber dafür findet sich eine Noniuseinteilung, wie bei Sextanten bis in
den zweiten Weltkrieg hinein üblich, die es gestattet, bis auf fünf Minuten
genau abzulesen. In der Theorie! Jedenfalls wird man mit diesem preiswerten
Spielzeug die Funktionsweise richtiger Sextanten kennen lernen. Auch taugt er
als preiswerte Entscheidungshilfe, ob man ein paar tausend Mark für einen
Trommelsextanten aus Metall ausgeben will.
Kann man damit auch messen? Beim
Versagen der Satelliten, in der Not, zur Not sogar seinen Standort bestimmen?
Dann hätte man ein Billigst-Backup-System an Bord. Probieren wir es aus!
Die Badegäste am Biskayastrand von Les
Sables schauen uns belustigt beim Testen zu. Auf schwankenden Schiffsplanken würden
die Bewegungen unsere Messergebnisse unkontrollierbar beeinflussen. So kommen
wir vom festen Sandsstrand aus zu faireren Vergleichsergebnissen, obwohl der
Gegner für den Kartonsextanten übermächtig ist: Ein Vollsichtsextant aus dem
Hause Cassens und Plath in der Dreitausend-Mark-Preisklasse. Das ist wie
Mercedes gegen Smart. Vielleicht ist der 80-Gramm-Sextant ein Supersmart?
Der Fixort, östliches Badestrandende, wird
aus der Seekarte gemessen und die Kimm hebt sich bei hohem Sonnenstand
messerscharf vom blauen Himmel ab.
Der Metallsextant lässt keinen Fehler
erkennen. Anders sieht es beim Federgewicht aus Karton aus. Eine deutliche
Treppe in der Kimm, also ein Kippfehler des Horizont-Spiegels, lässt sich nicht
mehr korrigieren, weil der Kleber längst eingetrocknet ist. Pfiffig, dass sich
das Schattenglas rausziehen lässt! Es ist übrigens mit UV-Schutz versehen,
schließlich hat der Konstrukteur dieses Sextanten, Klaus Hünig, auch die
Sofi-Brille erfunden und mehr als zehn Millionen davon verkauft. Immerhin, der
Indexfehler lässt sich mit der Kimm bestimmen, wenn auch nicht beseitigen.
Satte 10 Minuten macht er aus.
Abwechselnd wird dann die Sonne am
wolkenlosen Himmel durch den Vollsichtspiegel und mit dem Kartonsextanten
gemessen. Hierbei bestätigt sich einmal mehr, dass Sextanten mit halbem
Spiegel - auf dem Karton ist es eine hochglänzende Metallplatte - viel schwerer
zu handhaben sind, als mit Vollsichtspiegel. Wenn bei den rund
30
Vergleichsmessungen der Metallsextant erheblich besser abschneiden wird (was ja
beim fast hundertfachem(!) Preis erwartet werden darf, dann liegt dies auch(!)
am Spiegel.
Gespannt errechnen wir mit der neuen
Software ASTRO CLASSIC (Fußnote: Erscheint im Herbst bei Delius Klasing) in
wenigen Sekunden den Sollwinkel und vergleichen mit dem abgelesenen Winkel,
nachdem beim Kartonsextanen noch der Indexfehler von immerhin 10 Minuten oder
Seemeilen abgezogen wurde. Fair runden wir auf ganze Minuten, denn Bogensekunden
mit Karton messen zu wollen, wäre dann doch zu keck.
Die Messergebnisse vom 23.Juni 2000 auf 46°29,5N
und 1°46,6W:
4 Meter Augeshöhe:
Soll |
Metallsextant |
Fehler |
Soll |
Kartonsextant |
Fehler |
64°33 |
64°33 |
0 |
63°46 |
63°40 |
-4 |
63°59 |
63°59 |
0 |
63°38 |
63°35 |
-7 |
63°56 |
63°56 |
0 |
36°35 |
63°35 |
-10 |
63°54 |
63°54 |
0 |
63°28 |
63°10 |
+8 |
63°43 |
63°42 |
1 |
63°25 |
63°10 |
+5 |
2 Meter Augeshöhe:
Soll |
Metallsextant |
Fehler |
Soll |
Kartonsextant |
Fehler |
63°13 |
63°13 |
0 |
63°09 |
62°53 |
+6 |
63°05 |
63°06 |
-1 |
63°02 |
62°55 |
-3 |
62°58 |
62°59 |
-1 |
62°54 |
62°30 |
+14 |
62°52 |
62°52 |
0 |
62°48 |
62°45 |
-7 |
62°42 |
62°43 |
-1 |
62°15 |
62°15 |
-10 |
Achtung: 10' Indexfehler
müssen beim Karton abgerechnet werden!
Die Präzision des Metallsextanten überrascht
nicht, gehört er doch zu den genauesten Sextanten der Welt. Verblüffend gut
sind jedoch die Messergebnisse des Spielzeugsextanten: Keine Messung mehr
als 15 Seemeilen daneben. Damit ist der Pappkarton so genau, dass er
Horizontalwinkelmessungen von Landmarken mühelos verarbeitet.
Und auf einer Atlantiküberquerung? Bleibt
er trocken, könnte man mit ihm und der Sonne (oder auch am Tag mit dem Mond)
Barbados finden. Der Karton ist bedingt atlantiktauglich, allerdings
nur, wenn es auch der Skipper ist. Ein herrliches Spiel- und Lehrstück ist er
allemal!
Bezug:
35.- DM kostet er beim Fachhandel oder über
AstroMedia Verlag, Pilziggrund 67,97076 Würzburg, Fax:
0931 273395
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