YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Philipp Steinbacher
Sehr geehrter Herr Steinbacher,
so ein Schmarrn, was man Ihnen da erzählt hat! Das würde so
manchem passen, solche Vorbeugungsmaßnahmen zur Rettung des eigenen
Lebens auf Segelyachten in Vorschriften zu pressen! Klar, wenn Sie sich einen
Gurt, besser gesagt eine Rettungsleine selber basteln, entgehen dem Verkäufer
ein paar Euro Gewinn.
Tatsache
ist, dass selbst Fachleute von hohem Rang sich uneins sind, wie der richtige
Sicherheitsgurt nebst Rettungsleine (Sorgleine, Lifeline) auszusehen hat. Zu
vielfältig können die Situationen an Bord sein, wo die Lifeline zum Einsatz
kommt, um Ihr Leben zu retten. Diese Leine hat einzig die Aufgabe, zu
verhindern, dass eine Person unfreiwillig über Bord "geht", das
heißt, fällt, fliegt oder gespült wird. Deshalb ist es eine sehr persönliche
Entscheidung, wie die Lifeline auszusehen hat. Der eine rechnet damit, dass die
Sicherheitleine nur verhindern soll, dass er auf dem Weg zum Vorschiff im
Stolpern über die Reling kippt, der andere fürchtet, dass eine See ins Cockpit
einsteigen wird, um ihn rauszuspülen. Auf dem einen Schiff ist der Freibord so
hoch, dass eine kurze Sicherheitsleine den Verunglückten an der Bordwand
aufhängen wird, auf einer anderen Yacht mit langen Überhängen besteht im
Ernstfall die Gefahr, dass der Mann im Wasser unters Heck gerät und dort beim
Stampfen der Yacht im Seegang erschlagen wird.
Über eines ist man sich einig: Jede Sicherheitsleine ist
besser als keine. Denn der denkbar schlimmste Fall an Lebensgefahr ist das
Überbordgehen einer ungesicherten Person auf hoher See oder auch bei tiefen
Wassertemperaturen in Land-, selbst in Ufernähe auf Binnenseen. Der
Sicherheitsgurt mit der entsprechenden Leine dran ist, das sollte man mal cool
überdenken, viel wichtiger als die Sicherheitsweste. Denn letztere kommt im
Fall "Mann über Bord" im Wortsinne erst dann zum Tragen, wenn der
Verunglückte nicht mit einem Sicherheitsgurt gesichert war. Der Sicherheitsgurt
soll und kann zuverlässig Abstürze ins Wasser vermeiden. Wie die
Bergsteigerseile mit den entsprechenden Knoten drin.
Genaugenommen sind wir Segler in einer viel besseren Situation
als der Bergsteiger. Denn wir haben nach dem ungesicherten Absturz noch eine
zweite Chance zur Rettung, während diese Situation beim Bergsteiger in nahezu
allen Fällen tödlich ist. Gerade deswegen, würde ich mich einem
Sicherheitsgurt, der von einem erfahrenen und "gelerntem" Bergsteiger
gebastelt worden ist, blind anvertrauen!
Das Argument, beim Bergsteigen sei die Situation ganz anders
als beim Segeln, schließlich müsse der Bergsteiger ja auch mit einem tieferen
Fall rechnen, bestärkt geradezu die Richtigkeit meiner Meinung, denn beim
Segeln geht es ja "nur" um Abstürze von zwei oder drei Metern.
Was nicht heißt, dass man den Ruck, mit dem eine Person in
die Leine fällt, verniedlichen soll. Denn wenn eine überkommende See den Mann
auf dem Vorschiff über Bord wäscht, kommt das auch einem freinen Fall über
mehrere Meter gleich.
Deshalb: Jede Sicherheitsleine ist besser als gar keine! Wenn
sie nur stark genug ist, unter dem Einrucken nicht zu brechen. Das erfordert
eine Leine mit mehreren hundert(!) Kilopond Bruchlast. Bei Yachten über sieben
oder acht Meter Länge reicht also durchaus beipielsweise die gerade nicht
benutzte Genuaschot aus. Erfahrene Fahrtensegler sichern sich nachts oder bei
schwerem Wetter wäherend des Rudergehens mit der Fockschot, die mittels Palstek
um den Bauch geschlungen wird. Nicht gerade ideal, aber viel viel besser als gar
nichts!
Ein anderes Thema ist die Länge der Sicherheitsleine. Kurz
gehalten ist der Segler in seinen Arbeiten an Deck schwerbehindert, eine lange
Sicherheitsleine kann im Notfall den Verunglückten unters Schiff ziehen,
Stolperfalle ist sie sowieso. Es gibt leider auch Fälle, wo die Lifeline zur
tödlichen Falle geworden ist, als nämlich beim berüchtigten Fastnetrace
Verunglückte sich an die Rettungsinsel gesichert und vor dem Abbergen mit dem
Hubschrauber den Karabinerhaken an der Lifline nicht geöffnet hatten.
Deswegen auf den Sicherheitsgurt zu verzichten, wäre dumm!
Wie beim Sicherheitsgurt im Auto gibt es eben atypische Situationen, wo dieser
zum Schaden gereicht. Nachgewiesen aber ist, dass beispielsweise der
Sicherheitsgurt jedes Jahr die Todesrate im Straßenverkehr um viele tausend
Menschen reduziert - allein in Deutschland.
Zurück
zum erwähnten "Fachverkäufer": Der Mann hätte Ihnen gleich die
benötigte Leine verkaufen und Sie darauf hinweisen sollen, dass es auch in
Ihrem Fall nicht falsch wäre, wenn Sie eine Sicherheitsleine mit Gurt von einem
der renommierten Hersteller kaufen würden. Denn solche (seriösen) Firmen
versuchen in Deutschland seit vielen Jahren dem Segler auf diesem Gebiet das
Beste anzubieten, was man sich eben vorstellen kann. Damit wäre man mit
Sicherheit auf der sicheren Seite für die Sicherheit. Meine Vorliebe gilt
ohnehin der Rettungsweste mit integriertem Sicherheitsgurt. Denn da hat man mit
dem einem Griff doppelte Sicherheit angelegt.
Und beim Thema Rettungsweste verbietet sich jede
Bastelei sowieso.
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