Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Moin Frank

Über diese Frage, warum manche Segler das Papier von den Konservendosen entfernen und die Dose dann mit einem Edding beschriften, bin ich nicht erstaunt. Das hat einen ganz konkreten Hintergrund:

Bis, sagen wir mal 1960 oder so, wurden weite Reisen im Normalfall mit hölzernen (oder - selten - mit eisernen) Yachten unternommen. Und gerade aus dieser Zeit stammen viele weitergegebene Erfahrungen zum Thema Blauwassersegeln. Am meisten hat hier in Deutschland der Engländer und Weltumsegler Eric Hiscock - ganz speziell mit seinem Buch "Segeln über sieben Meere" - , die Weltumsegelträumer beeinflußt . Und manche zukünftigen Langfahrtsegler orientieren sich auch heute noch an diesen Büchern. Was übrigens nicht schlecht ist, denn damals war eine gute Seemannschaft hoch geachtet und das Meer hat sich ja nicht geändert. Der Rat, Konservendosen zu beschriften , stammt aus jenen Büchern und hatte - damals - einen wirklich wichtigen Grund. Denn die erwähnten Holzyachten hatten fast alle eine Unart, die uns heute wie ein Sachmangel vorkommt. Diese Yachten waren nie ganz dicht, denn die Beplankung ließ nahezu immer ein wenig Wasser ins Schiffsinnere, das sich dann in der Bilge sammelte. Also genau dort, wo man auch heute noch gern Lebensmittel verstaut (und wo auch der kühlste Platz ist, wenn sich kein Kühlschrank an Bord befindet). Hinzu kommt, dass gerade auf Langfahrtyachten die Dosen ja nicht sofort aufgebraucht werden, sondern manchmal jahrelang in der Bilge darauf warten, dass sie mal an die Reihe kommen. Nebenbei: Erfahrungsgemäß ist die Lebensdauer jener Dosen am längsten, deren Inhalt nicht gerade der schmackhafteste ist. Und so war es kaum zu vermeiden, dass sich mit der Zeit, vor allem wenn die Dosen im Seegang rumrollten, das papierene Etikett vom Blech löste und in der Brühe rumschwamm. Bei größeren Vorratsmengen ließ sich der Inhalt der einzelnen, nunmehr „nackten“ Dose dann nicht mehr feststellen.

Die Dosen gehen dann natürlich nicht gleich kaputt, sodass man sie auch in diesem feuchten Klima schon einige Zeit stauen kann. Nur, wenn sie dann das Papier, das sie normalerweise umgibt, in der Feuchtigkeit oder auch direkt im Wasser abwerfen, läss sich bei entsprechenden Vorratsmengen der Inhalt der einzelnen Dose nicht mehr feststellen. Wohl jeder Segler der damaligen Zeit kann ein Lied davon singen, dass er sich in schlechtem Wetter auf eine heiße Suppe freute und nach dem Öffnen der Dose grobe Erbsen im Saft vorgefunden hat. Das kann nicht passieren, wenn auf dem Blech der Dose steht: "Nudelsuppe von den Kanaren" oder so ähnlich.

Aber es hat - damals - noch einen zweiten Grund gegeben, Dosen von ihrem Etikett zu befreien: Es war Aufgabe der Bilgepumpe, das auf Holzschiffen unvermeidbare Wasser am tiefsten Punkt, also der Bilge, nach draußen zu befördern. Berüchtigt waren damals Vorfälle, bei denen die Bilgpumpe, mit der Zeit am Papier der Dosen vollgefressen, ihren Dienst quittierte. Ein nicht ungefährlicher Vorfall, der schon bei vielen Wassereinbrüchen beschrieben wurde. Da jetzt fast alle Yachten, die auf die große Fahrt gehen, aus Kunststoff sind, ist die Bilge meist trocken, jedenfalls nicht wie auf den Holzyachten wasserbedeckt, sodass die Konservenlast ebenfalls trocken bleibt und somit auch nicht vom Papieretikett befreit werden muss.

Die Arbeit des Etikettenablösens kann man sich heute sparen, wenn sich nur einige Tropfen in die Bilge verirren. Die Dosen werden während einer bloß ein paar Wochen dauernden Atlantiküberquerung nicht derart angegriffen, dass sie durchrosten oder man den Inhalt nicht mehr identifizieren kann. Eine höchst unangenehme Ausnahme von dieser Regel hab ich allerdings selbst erlebt. Das dünne Blech einer Coladose korrodierte besonders leicht durch, was das Auslaufen der Colabrühe zur Folge hatte. Und die scheint ziemlich aggressiv zu sein, denn in kurzer Zeit waren alle Dosen verdächtig leer, also ausgelaufen. Die Schweinerei in der schwer erreichbaren Bilge wünsche ich niemandem. Es ist also ratsam, solch empfindliche Dosen in einer Plastikwanne in der Bilge zu lagern.

Dicker Gruß

Bobby

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