Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet
Sehr geehrter Herr M.S.
Ja, zu diesem Thema kann ich aus eigener
Erfahrung schon etwas an Wissen beisteuern: Ihre Frage ist auch heute noch von allgemeinem Interesse.
Schließlich gibt es immer noch
zigtausend ältere Yachten auf dem Gebrauchtboot-Markt, deren
Besegelung und das Rigg noch nicht auf den Rollmechanismus umgerüstet sind. Bei neuen Schiffen dürften Stagen
mit Segel an Stagreiter dran allerdings
Seltenheitswert haben. Aber für den Selbstbauer ist dies sicher noch eine
bedenkenswerte Alternative, schließlich ist die Ausrüstung mit Stagen für die
Vorsegel die weitaus billigere Lösung, und gar nicht unbedingt die schlechtere.
Unsere großen Reisen (unter anderem um die Welt und
vier Jahre lang in der
Südsee) sind Karla und ich mit Yachten gefahren, die keine Rollfocks hatten.
Stagen, an denen die Segel mit Stagreiter befestigt waren, galten als Standard
- damals. Sodass wir erst gar nicht gefragt haben, ob eine
Rollfock die bessere
Lösung ist. Ganz typisch für Segler waren auch die ersten Reaktionen, als
Rollfocks am Markt auftauchten: "Was ist, wenn unterwegs die
Rollfock versagt?" und
"wohin, in diesem Falle, mit den kläglichen Resten dieser Vorrichtung, die ja
wegen des Profil-Rods auf einer Yacht liegend bis zum nächsten Hafen zum Dauerhindernis werden können."
Nun, besucht man eine Bootsausstellung und streift durch die Hallen, fällt
sofort ins Auge, dass überall, selbst auf den kleinsten Yachten,
Segel an Stagen verschwunden sind. Und das
nicht ohne Grund. Es ist unterwegs eine erhebliche Erleichterung, bei einer
Windänderung nicht mehr aufs Vorschiff zu
müssen, sondern die Segelfläche bequem vom Cockpit
aus zu variieren. Es war für uns auf den Weltmeeren tatsächlich jeweils
ein großes Abenteuer, bei sieben Windstärken und mehr aufs Vorschiff nach
vorne zu kriechen(!), um dort, meist bei
überkommender Gischt im Gesicht oder im
grünen Wasser sitzend, eine Viertelstunde lang
die Genua abzuschlagen und ein kleineres steifiges Vorsegel anzuschlagen, um
dann ins Cockpit zurückzurobben.
Liest man in der älteren Segelliteratur
bei Langfahrtseglern nach, so findet man häufig in den Büchern ein
Jammern darüber, dass der Segelmacher
unnötigerweise ein viel
zu steifes Tuch verarbeitet und man sich daran die
Fingernägel abgerissen hat. Man sollte in
alten Verkaufsanzeigen mal nachlesen, welcher Segelgarderobe sich Bootsverkäufer
für ihre Yacht rühmten. Da war die Rede von der Genua
eins bis drei, von mehreren Focks und - natürlich - von der
Sturmfock. Aber, auch das sollte man nicht
übersehen, die Besatzung einer 10 Meter Yacht bestand damals häufig aus sechs bis
acht Mann, die man als Skipper zum Teil bequem vom Cockpit aus zum
Segelwechsel aufs Vorschiff hetzen konnte.
Das hat sich grundlegend geändert. Heute werden Yachten, zum Teil bis 50, 60
Fuß Länge, häufig von einer Zweiercrew
gesteuert, die kräftemäßig total überfordert wäre, im harten Wetter auf dem
Boden des Vorschiffs in der Salzwasser-Dusche
Segel zu wechseln. Die Rollfock hat alles geändert.
Ja, der früher so
gern vorgebrachte Einwand, dass bei verkleinerter Rollfock das Segel keinen
guten Stand mehr hat, ist zwar generell richtig, aber 90 Prozent aller Urlaubs-
oder Vergnügungssegler nehmen das, so wie ich, widerstandslos in Kauf. Segeln
ist Vergnügen und deshalb soll es auch bequem sein. Ja, und dann kommt noch der
Einwand, dass eine Rollfock als Sturmsegel
nicht taugt. Auch richtig, aber was macht denn der Durchschnittssegler bei wirklich
schwerem Wetter? Er wird bis zum nächsten Hafen von der Rollfock noch einen
winzigen Fetzen stehen lassen und die Maschine
dazu zur Unterstützung anschmeissen.
In Ihrem Falle also möchte ich
Ihnen zur einem Rollsegel, also keinen separaten Stagen raten. Es sei denn, Sie
sind noch jung und dementsprechend sportlich. Dann macht es Spaß, das Vorsegel
den jeweiligen Winden per Segelwechsel anzupassen. Die Befriedigung nach
einem harten Törn ist ungleich größer, wenn man sich den Weg nach Luv mit harter
Vorsegelarbeit auf dem heftig arbeitenden
Vorschiff erarbeitet hat, statt mal ein paar Kurbelumdrehungen im Cockpit an
der Reihleine der Rollfock getätigt zu haben.
Freundliche Grüße aus Bayern Bobby Schenk
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