In
den Wind gesprochen (1):
Wie
manche Segler ihr einziges Kapital vernichten
Er war eine traurige Gestalt
in diesem belgischen Hafen. Und jeder kannte ihn, nämlich Heinz und seine Story. Sie hatte nach seinem Leben gegriffen. "Da kommst Du in
Düsseldorf auf die Bootsshow, denkst an Palmen und Südsee und die Realität
lautet dann: Liegeplatz vor einem europäischen Industrie-Bahnhof."
Morgens strich Heinz durch die Marina und erzählte jedem seine Geschichte, die
mit einem Traum von einer Superyacht begann hatte und mit dem Verlust seines
Vermögens und einem in jeder Hinsicht untauglichem Schiff endete.
Bei Robert
(alle Namen aus diesen wahren Begebenheiten sind geändert) war es ähnlich,
wobei der tragische Ausgang um so mehr verwundert, als es sich bei Robert um einen
blitzgescheiten, realitätsbezogenen Selfmademan gehandelt hat, der es mit
eigener Tüchtigkeit immerhin zu einer Fabrik gebracht hatte - ihrem
technischen Sektor weltweit führend. Aber, als es an den Schiffskauf für
den lang ersehnten "Ruhestand" (selbstverständlich mit
Weltumsegelung) ging, schien den Erfolgsmenschen der Verstand verlassen zu
haben. Statt irgendeine Millionenyacht von einer Erfolgswerft zu ordern, wollte
Robert unbedingt all seine Ideen von einer Superyacht in dem "perfekten
Schiff" realisieren. Das ging bis zu einem Tauchkompressor als Backup für
die Druckluftversorgung des Kreiselkompasses. Der Werft wollte er einreden, die
gesamte Elektrik nach seinen Vorstellungen anders zu fertigen wie sie es bei
ihren hunderten von (zum Teil berühmten) Bauten gewohnt war. Das ging
schief. Es ging ungefähr alles schief, auch die Finanzen. Schließlich
entführte Robert "seine" Yacht vom Werftgelände und brachte sie nach England, wo eine
Universität beauftragt wurde, ein Gutachten zu diesem Bau zu fertigen. Das war
vernichtend. Auch für Robert, in dem eine Welt zusammenbrach. Das Schiff wurde
dann gerade noch nach Mallorka geskippert. Das wars. Robert starb kurze Zeit
später - völlig verarmt.
Hartmut
wollte sich eine eigene Yacht bauen, die ihm
keine Werft, wegen seiner originellen Ideen, gut genug gebaut hätte. Nach acht Jahren Arbeit-, Energie- und
Geld-Verschwendung war die Yacht halbfertig - und musste verschenkt werden.
In
Holland baute der Amerikaner Toni seine 42-Fuß-Schale auf dem Werftgelände
aus, wo er die Schale gekauft hatte. Seine Freundin Ines zog zu ihm aufs Schiff,
um die Sache zu beschleunigen. Dann wurde das Geld knapp, aber Toni wollte das
tollste Schiff auf Erden und so wurde ein Kredit aufgenommen um
Segel-Rollanlagen zu bestellen - sie konnten nie mehr ausgelöst werden. Ines
musste sich einer Augenoperation unterziehen, was dem Unternehmen
"Weltumsegelung" finanziell den letzten Rest gab. Segelkameraden
sorgten dafür, dass im Winter zumindest das Gas zum Heizen der
"Blechhütte" nicht ausging. Ines flüchtete von Bord, Toni, ohnehin
schon herzkrank, überlebte das nicht mehr.
Georg hatte 10 Jahre an seinem
Traum vom Schiff für eine Weltumsegelung hingebaut. In seiner Garage stand des
gesamte Zubehör, liebevoll und über Jahre sorgfältig ausgesucht. Denn, wieder
einmal, es sollte die perfekte Weltumsegelyacht werden. Nach vielen Jahren, die
Yacht bei weitem noch nicht fertig, schlug das Alter zu: Georg starb. In seinem Testament vermachte er den Rohbau mit Zubehör einem
Segelclub. Die Jugendabteilung sollte sein Werk vollenden. Damit aber ist der
Verein organisatorisch überfordert, deshalb soll der Krempel jetzt schnell zu Geld
gemacht werden. Dann könne man ja für Törns mit Jugendlichen einen Zuschuss
geben.
Weitere bittere Beispiele
gefällig? Nein, muss nicht sein, obwohl ich noch Dutzende solcher Tragödien
(und ganz wenige geglückte Unternehmungen dieser Art) miterlebt habe. Warum
aber überschätzen sich Menschen, wie in den Beispielen, derart? Und zwar
Segler, die im Berufsleben erfolgreich ihren Mann gestanden haben. Die Antwort
liegt auf der Hand: Es geht ums Segeln, um Romantik, ja um die Liebe zur See,
ums Streben nach der Freiheit, um ein glückliches Leben im Alter, kurzum, um
irreale Sehnsüchte, in die sich die Logik kaum je verirrt. Nebenbei: Frauen sind in dieser technischen Szene
selten dabei, und wenn,
dann ziehen sie ihre Unternehmungen auch durch, ich kenn da einige bemerkenswerte
Damen!
Warum aber glauben
diese Männer, sie könnten das perfekte Schiff schaffen, oder das ganz preiswerte,
oder das superseetüchtige? Würden diese im Berufsleben meist sehr
erfolgreichen kühlen Rechner bei der Bestellung ihres Autos, sagen wir mal
eines "Mercedes", auf die Idee kommen, als Zubehör, bitte schön, einen
Hybridantrieb einzubauen? Aber bei ihrer Yacht wird der ernsthaft ins Kalkül
gezogen. Der oben erwähnte Robert hatte die Idee, die Winschen für seine
Traumyacht selbst zu konstruieren! Und wenn mit viel Werbegetöse ein Generator
mit einem neuartigen Antrieb auf den Markt geschmissen wird, laufen hier die
ernsten Anfragen ein: "Was halten sie vom X-Generator, ich möchte so einen
einbauen?" Beim Auto aber wird abgewartet, bis die ersten hunderttausend
Stück verkauft sind!
Ein Besucher dieser Webseite
hat die Kurve gekratzt. Nach ein paar Jahren Bauzeit an seiner Schale, hat er
eingesehen, dass die Sache schief gehen würde. Nunmehr steht das unfertige Schiff
zum Verkauf, wird vielleicht notgedrungen fast verschenkt und nach einem
gebrauchten Boot Ausschau gehalten. Gratuliere zu dieser noch rechtzeitigen
Entscheidung.
Noch so eine tolle Idee:
"Ich werde mir in Australien (Neuseeland, USA, Südafrika) einen Katamaran
bauen lassen!" Die Träumer sprechen von Werften, die sie nicht kennen, von
denen sie vielleicht einmal eine einzige Yacht gesehen haben, oder nur
Fotos im Internet gefunden haben. Mehrere Bekannte hab ich, die nach der
Überweisung der Anzahlung nie mehr etwas von dieser Firma und damit von ihrem
Schiff gehört haben. Obwohl sie jahrelang "sorgfältig" nach der
richtigen Werft Ausschau gehalten haben.
Mein Rat: Das Wort
"Traumyacht" aus dem Gedächtnis, aus dem Wortschatz streichen! Und
sich an Serienyachten halten, gleichgültig, ob gebraucht oder neu. Hinter einer
Bavaria, Jeanneu, Hallberg Rassy, Sunbeam, Sun Odyssey, Hanse etc steht die
Erfahrung von hunderten Yachten. Und gleichgültig, wie manche Werft an- oder
abgeschrieben ist, eines ist sicher: Jede Werft lernt aus Fehlern. Und deshalb
haben die großen Werften besonders viel gelernt. Dieses Kapital an Erfahrung
nicht zu nutzen, ist dumm. Vor allem aber rate ich zu gebrauchten Yachten, ja,
auch aus dem Betrieb von seriösen großen Charterfirmen. Wenn die tausend
Charterkunden überlebt haben, sind sie unkapputbar, auch auf einer
Weltumsegelung. Der große Vorteil beim Kauf einer bereits existenten Yacht: Es
geht keine Zeit verloren, Leinen los! Denn in den Selbstbau-Beispielen oben,
haben die Segler ihr wichtigsten Kapital verschleudert, nämlich ihre zur Verfügung
stehende Lebenszeit.
Der verstorbene Hans G. Strepp, ein gekonnt bissiger
YACHT-Journalist, hat es einmal so beschrieben: "Es ist, als ob diese
Segler jahrelang an ihrem Sarg basteln!"
Es war in den Wind gesprochen.
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