in den Wind gesprochen (80)

Die Knopfdruck-Segler

Gelegentlich hab´ ich Kontakt mit Yacht-Junkies, die große Segelpläne haben und diese auch durchziehen wollen - koste es, was es wolle. Letzteres ist wortwörtlich zu nehmen, denn bei der Suche nach der richtigen Yacht für (mindestens!) eine Weltumsegelung scheint Geld keine große Rolle zu spielen. So um die 20 Meter Schiffslänge darfs dann schon mal sein, schließlich möchte man ja mit Partnerin/Freundin/Ehefrau um den Globus rum. Getarnt werden die Weltumsegelungspläne oft mit Formulierungen wie „schauen wir mal, wie weit wir kommen…“, was ja nicht das Dümmste ist, denn dann ist man kein Looser, wenn die Sache wegen der Crew, der davongelaufenen Crew, der Ungemütlichkeit, der Beschwerlichkeit, der Finanzen, vor allem aber wegen der Größe der stolzen Yacht schief geht.

Was nicht ausgeschlossen ist, wenn der Träumer nicht zur Vernunft kommt, am besten vor dem Kauf der Yacht.

Hier lauert nämlich eine Gefahr, an die die Millionarios, und nur von denen ist hier die Rede, keinen Gedanken verschwenden, wenn sie Ausschau halten nach der richtigen Yacht für dieses mehrjährige Abenteuer.

Ich gönne ja jedem seine Millionen, wobei ich davon ausgehe, dass die von einer Erbschaft, von den vor Jahren gekauften Amazon-Aktien, vom Verkauf einer Immobilie oder gar von der harten Arbeit vergangener Jahre stammen. Oft sind damit dem Anschaffungspreis der Traumyacht nach oben keine Grenzen gesetzt. Und das birgt für die Ahnungslosen das enormes Risiko, sich hier zu verkaufen, also Opfer seiner Träume zu werden.

Natürlich möchte man für das schwimmende Heim möglichst viel Platz, komfortablen Wohnraum, sodass eine Yacht um die 10 bis 13 Meter erst gar nicht in Frage kommt. Dabei sollte sich der Träumer fragen, warum wohl mit großem Abstand die meisten Weltumsegelungen mit so "kleinen" Yachten durchgezogen wurden, und Yachten mit 60 Fuß und darüber in der Weltumsegler-Statistik nicht die geringste Rolle spielen. Denn das beweist die Auswertung von auf dieser Webseite vorgestellen immerhin einhundert (!) Weltumsegelungen. Diese (und andere) wichtige Erkenntnisse findet man in einer umfangreichen und gründlichen Statistik von Sabine Seren, die kann man hier nachlesen. hier nachlesen.

Hinzu kommt, dass erfolgreiche Segler, die ihr Geld schon „gemacht“ haben, oft nicht mehr die Jüngsten sind, sodass sie, was ja durchaus richtig ist, Komfort erwarten, und den gibts halt nur auf größeren Yachten. Doch sollte hier mal die Denkmaschine angeschmissen werden: Also, die ein oder zwei Millionen wird man schon aufbringen, aber die Frage stellt sich, ob der Segler mit seiner meist zahlenmäßig kleinen Crew (zum Beispiel Ehefrau etc) überhaupt in der Lage ist, so eine gigantische Yacht, sagen wir mal um die 20 Meter, zu segeln, zu bedienen, vor allem auch in der Marina in die Box zu manövrieren.

Und an diesem Punkt wird es gefährlich, denn natürlich möchten die Werften diesen Kunden ihre meist wunderschönen, aber auch sehr teuren Bauten gerne verkaufen. Und deshalb haben sie den schönen Ausdruck Knopfdruck-Segeln“ erfunden. Leuchtet ja auch ein, warum soll das Groß statt mit einer handbetriebenen Winsch nicht per Elektromotor nach oben gezogen oder die Schoten hydraulisch bedient oder der Bug per elektrischem Bugstrahlruder neben den Dalben ausgerichtet werden? Und unterwegs der Kurs von der hydraulischen Schubstange gehalten werden, die rund um die Uhr das Ruder bedient. Alles richtig. Und wenn wir mal selbstkritisch sind, dann arbeitet jeder Segler auf einer 12-Meter-Yacht ja auch mit der Hydraulik oder dem Elektromotor für den Anker, weil dieser ohne diese mechanischen Hilfen gar nicht mehr hochgeholt werden kann.

Der Unterschied zu den erfolgreichen Weltumseglern befindet sich im Kopf des Knopfdrückers. Der erfolgreiche Weltumsegler, der sich durch lange Segelpraxis, Erfahrung auf dem Wasser und entsprechende Ausbildung das Wissen um das Verhalten der Yacht und um die Risikovermeidung erworben hat - bezeichnen wir das mit dem abgedroschenen Begriff „Seemannschaft" - weiß genau, wann und wie lang er welchen Knopf drücken muß, sei es auf einer kleinen Yacht, da gibts ja auch schon jede Menge Segelknöpfe in der Navi, oder sei es auf einer 20 Tonnen schweren 20-Meter-Yacht. Und er wird sich auch zurecht finden, wenn mal ein Knopf nicht das macht, was er soll, sei es mangels Elektrizität oder weil einer der Milliarden Tansistoren in der Navi keine Lust mehr zum Segeln hat.



Früher, vor ein paar Jahrzehnten, war das anders, einfacher; schlicht deswegen, weil die Technik noch nicht so weit war. Die "Erfindung" der Ketsch ist darauf zurückzuführen, dass die Yachten Mitte des vergangenen Jahrhunderts - so wie heute - immer größer wurden und die Segel auf dem Einmaster schlicht zu groß wurden, um von der Crew beherrscht zu werden. Deshalb hat man die Segelfläche auf zwei Masten verteilt - Ergebnis: Ketsch oder Yawl. Trotzdem: Je größer die Yacht, desto größer war die Crew auf Yachten, die mit kleiner Mannschaft nicht mehr zu segeln waren. Damals, ohne Knopfdruck-Segeln, wäre kaum, ein auch noch so erfahrener Segler auf die Idee gekommen, eine der Yachten auf dem Bild mit kleiner Crew zu handeln, und dies womöglich noch im sehr fortgeschrittenen Alter.



Der Praktiker wird sich heute wohl keine Yacht zulegen, auf der er den Knöpfen ausgeliefert ist. Bei ihm spielen Größe, Gewicht und Wendigkeit der Yacht und nicht die Anzahl von Switches, Schaltern, Displays und Datenleitungen übers Bord-Wlan eine Rolle.

Fazit: Sicher können die meisten erfolgreichen Weltumsegler, auch die sonstigen Langfahrt-Yachties durchaus eine 20-Meter-Yacht segeln. Was sie aber nicht können, ist, dieses Riesenschiff in einer fremden Marina in die Box bugsieren. Und was uns auf jeden Fall überfordert, ist, diese Yacht auf Blauwasserfahrt allein, ohne Crew zu unterhalten. Glauben Sie mir, das gilt auch für Yachten aus einem edlen Stall. Wie oft hab ich schon von solchen Eignern die tröstenden Worte gehört: "Ärger gibt es überall!".

Es handelt sich hier nicht um einen Mercedes, Audi oder BMW, von denen hunderttausende ausgeliefert wurden und mit denen man einigermaßen ungerupft bis zum Lebensende des Cars seine Kilometer runterradeln kann. Eine seegehende Yacht hat ungleich mehr Problemzonen als ein Auto. Und je größer die Yacht, umso mehr Störungsmöglichkeiten. Und dass die äußere Pflege keineswegs eine Arbeit von wenigen Tagen im Jahr ist, kann man sich bei dieser Masse Schiff ausmalen.

Ich war mal bei einem Verkaufsgespräch in Sachen "Knopfdruck-Segeln" dabei. Nach der Schiffsbesichtigung leuchteten die Augen eines Paares mit einer satten Erbschaft von ein paar satten Millionen im Hintergrund, denn die hätten für den Kauf wohl gerade ausgereicht. In einem lichten Moment fragte sie (Frauen sind hier immer realistischer!) dann doch noch nach den Unterhaltskosten, was der Verkäufer ehrlich mit ca 20 Prozent des Kaufpreises - im Jahr - beantwortete. Und dabei ging es nicht nur um die Versicherungen für die Yacht, sonden eben um das ganze Drum und dran. Dennoch - der Salesman brachte sich durch seine Ehrlichkeit um ein gutes Geschäft.

O.K., wenn es einem Millionär nix ausmacht, auf seiner Yacht einen Hausmeister zu spielen, dann ist für ihn eine 20 Meteryacht wohl angemessen. Zum Segeln wird er aber nicht mehr viel kommen. Das ist nicht in den Wind gesprochen!

Bobby Schenk

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